Ein Rückblick auf die Entwicklung
des Eisenbahn-Modellbaues in der Grösse H0
Dieser Beitrag stellt nicht den Anspruch umfassend zu sein, sondern dient als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Ausführungen.
Er soll Eckpunkte und Entwicklungen im Bereich des Eisenbahn-Modellbaues in den letzten Jahrzehnten aufzeigen.
Die Anfänge
Bis am Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts erste Tendenzen für eine realistische Modellbahnerei auftauchten, war der Modellbau in H0 einigen Spezialisten vorbehalten. Zudem geschah dies aus verständlichen Gründen vorwiegend in den grösseren Spuren 0 und 1.
Als Möglichkeiten blieben dem Modellbauer in H0 vorwiegend die farbliche Veränderung von Kaufmodellen, das Kitbashing (aus vorhandenen Modellen Neues erstellen) oder der komplette Selbstbau mit Hilfe von Papier, Karton, Holz, Plastikplatten und Metall.
Mittels Kitbashing entstand vor Jahrzehnten aus den Kästen von zwei Liliput F2 und Teilen eines preussischen Vierachsers ein Z4 der SBB. Noch fehlten dem Wagen Kleinteile und Beschriftung.
Käufliche zweiachsige Personenwagen von Liliput (hier ein Packwagen F2) wurden mit Hilfe von Messingprofilen und einem dritten Achslager zu Dreiachsern mit verschiebbarer Mittelachse umgebaut.
Der Umschwung zu besserer Massstäblichkeit bei Fahrzeugen
Ab 1969 begann die Firma Merker & Fischer (M+F) mit der Produktion von Metall-Gussteilen zur besseren Detaillierung bereits existierender Modelle. Später wurden auch komplett zusammengestellte Bausätze für (vorwiegend deutsche) Lokomotiven angeboten.
Anfang der siebziger Jahre erfolgte in der Spurgrösse H0 eine Entwicklung hin zu besserer Modelltreue und vor allem zu höherer Massstäblichkeit.
Ein Pionier dieser Zeit war der deutsche Ingenieur Willy Ade. Dieser hatte ursprünglich mit seiner Firma Röwa für Trix gearbeitet. Nach fachlichen Differenzen machte er sich 1968 mit Röwa selbständig. Dabei tat er sich mit der Firma Rokal zusammen, welche Modellbahnen in der Grösse TT (1:120) herstellte.
Röwa produzierte nun hervorragend detaillierte H0-Modelle im Massstab 1:87, lange Personenwagen noch im Längen-Massstab 1:100.
Willy Ade war auch der Erste Modellbahn-Produzent, welcher 1972 unter dem Namen Röwa-Matic eine Kurzkupplungsdeichsel mit Kinematik bei seinen Wagen einbaute.
Diese besass eine Aufnahme, in welche der mit einer Schwalbenschwanz-Sicherung versehene Kurzkupplungskopf eingesteckt werden konnte.
Im Jahr 1975 ging die Firma Röwa aus nicht selbst verursachten Gründen in Konkurs.
Aus der Konkursmasse gingen sehr viele Formen an die Firma Roco aus Salzburg, welche nun ihrerseits im Jahr 1976 mit der Produktion europäischer Modelle unter konsequenter Einhaltung des Massstabes 1:87 begann (bisher amerikanische Fahrzeuge).
Willy Ade gab nicht auf und gründete diesmal alleine die Firma ADE.
Hier setzte er seine modellbahnerischen Visionen konsequent um:
- Genaue Einhaltung des Massstabes 1: 87, auch bei langen Wagen
- Klipps-Verbindungen zwischen den Teilen (Gehäuse – Unterbau)
- Vollständige Anschriften in Sieb- und/oder Tampondruck
- Lokbeleuchtung durch Lichtleiter
- Vorbildgerechte Fahrzeugabstände mittels Kinematik und Kurzkupplungen.
Mit dem Erfolg von ADE und vor Allem mit dem Markteintritt der Firma Roco, kamen die damaligen europäischen Marktführer unter Zugzwang (Fleischmann beispielsweise produzierte noch vorwiegend im Massstab 1:82).
In der Folge überboten sich die Hersteller bei ihren Neuankündigungen mit Hinweisen auf die Massstäblichkeit ihrer Neumodelle.
Puffer an Puffer dank Kurzkupplungs-Kinematik
Auch sah sich nach dem Erfolg der Röwa-Matic (ab 1972) jeder Modellbahnhersteller genötigt, einen eigenen Kurzkupplungskopf zu entwickeln. Als erster Roco 1975, gefolgt von Fleischmann 1985 und Märklin 1987.
Um Plagiatsklagen der Konkurrenz zu vermeiden, entstand ein Wildwuchs von Lösungen.
Dieser verhindert leider bis heute eine für uns Modellbahner ideale und problemlos einsetzbare Lösung.
Roco versuchte zudem 1993 auch noch mit seiner Universal-Kupplung eine Brücke zwischen der klassischen Bügelkupplung (Standardkupplung) und echtem Kurzkupplungskopf herzustellen.
Geschlossener Wagenverband dank Kurzkupplungs-Kinematik.
Zum Umbau von Wagen ohne Kurzkupplung gab es auch relativ schnell Angebote von einbaubaren Kinematiken durch spezialisierte Firmen wie Symoba oder RIBU aber auch durch Roco selbst.
Die Entwicklung bei Gebäuden und dem Geländebau
Beim Gebäudebau ging die Entwicklung bei Kaufmodellen ebenfalls in Richtung einer exakteren Massstäblichkeit.
In Bezug auf den Selbstbau tauchten nun neue Techniken auf, wie die Herstellung von feinsten Teilen im Ätzverfahren und der Guss von Teilen mit Hilfe chemischer Komponenten (z.B. Resin).
Der aktuellste Schritt in diesem Bereich ist der Einsatz von Laser-Cuttern.
Was den Geländebau anging, drängten auch amerikanische Firmen (nach 1975 Woodland Scenics) auf den europäischen Markt. Denn dort war man dank der NMRA (National Model Railroad Association, Amerikanischer Modellbahn-Verband) bedeutend weiter mit der Normierung und Detaillierung der Modellbahnen als in Europa.
Dies zwang in der Folge aber auch die europäischen Anbieter dazu, qualitativ hochstehendes Material für den Geländebau in ihr Sortiment aufzunehmen.
Die Grasfaser und der Schaumstoff-Turf begannen das grün eingefärbte Sägemehl abzulösen.
Auch in Sachen Bäumen ging die Entwicklung vom zugeschnittenen "Flaschenputzer" als Tanne zu hochdetaillierten Modellen. Heute ist sogar die Nachbildung einzelner Blätter am Baum ein Thema.
Runter von der hohen Schiene
Auch beim Gleismaterial kam die Qualität aus den USA nach Europa. Dies obwohl man dabei mit der amerikanischen Schwellenteilung und falschem Kleineisen leben musste.
Fuhr meine erste H0-Modellbahn von Fleischmann noch auf aus dünnem Blech gebogenen und auf Kartonschwellen aufgeklemmten Hohlschienen, fahren meine Züge heute auf niedrigen, hervorragend detaillierten Vollprofilgleisen.
Weil sich hochdetaillierte, massstäblich grosse Wagen auf groben, überhohen Schienen schlecht machen, hiess es schnell: "Runter von der hohen Schiene."
Und weil die langen Wagen auch nach schlankeren Weichen verlangten, erfuhren auch die Gleisgeometrien der neu produzierten Gleise eine Anpassung.
Kam hinzu, dass der Verband der Modelleisenbahner und Eisenbahnfreunde Europas (MOROP) inzwischen entsprechende Normen vorgab.