Tunnelportale auf der Modellbahn
Tunnels beim Vorbild
Bereits 1847, beim Bau der ersten Bahnlinie in der Schweiz von Zürich nach Baden, musste durch die NOB (Schweizerische Nordost-Bahn) ein Tunnel erstellt werden. Die geografische Lage der Schweiz erforderte in der Zukunft immer wieder tunnelbauerische Massnahmen. Diese gipfeln heute im Bau des längsten Tunnels der Welt, des NEAT-Tunnels von Erstfeld nach Biasca.Spezielle Situationen verlangten auch in der Schweiz entsprechende, aus dem Rahmen fallende Tunnelbauten. So führten extreme topographische Situationen, besondere architektonische Vorstellungen der Bahngesellschaften, sowie Sparmassnahmen zu Spezialitäten wie den Kurztunnels bei Moutier, den Spitzbogentunnels im Neuenburger Jura und dem Boscerino-Tunnel auf der Südrampe der Gotthardbahn (Berggleis im Tunnel,Talgleis aussen herum).
Entsprechend dem Streckenausbau unterscheiden wir beim Vorbild ein- und zweispurige Tunnels.
In besonderen Situationen, beispielsweise bei Bahnhofsausfahrten, die mit mehr als zwei Gleisen direkt in Tunnels führen, müssen von den Erbauern spezielle Lösungen gesucht werden.
Dabei kann keinesfalls einfach das Tunnelportal in die Breite gezogen werden.
Aus Gründen der Druckverteilung und der Statik muss der Bogen an der Tunneldecke in einem bestimmten Radius erhalten bleiben.
Ein Tunnel für vier Gleise müsste also viel höher als ein einspuriger Tunnel sein.
Da sich der "leere" Raum, und damit die Kubatur unnötigen Ausbruchs, bei solchen Tunnels für mehrere Gleise enorm steigern würde, setzen die Bauingenieure einfach mehrere (zweispurige) Tunnels nebeneinander.
Die Skizze zeigt theoretische Profile für 2 (Normalprofil der GB), 3 und 4 Gleise.
Der graue Teil wäre der unnötige Ausbruch.
Als gutes Beispiel kann uns das heutige Portal des Gotthardtunnels in Göschenen dienen.
Für die Wahl bestimmter Tunnel-Bauformen ist immer die geologische Beschaffenheit des zu durchbrechenden Geländes oder Gesteins massgebend. So weist allein der Gotthardtunnel auf seinen 15 km die verschiedensten Profile auf.
Links: Normal-Profil des Gotthardtunnels 1872
Rechts: Verstärktes Profil des Gotthardtunnels im Bereiche der Druckzone der "Ursernmulde"
Tunnels im Modellbau
Für uns Modelleisenbahner entscheidend ist allerdings lediglich der Bereich des Tunnelportals.
Vereinfachend können wir bei den Tunnel-Portalen drei Formen unterscheiden:
- vollständig gemauertes Portal, evtl. mitseitlichen Stützmauern
- teilweise Portalmauerung
- kompaktes Felsportal ohne Mauerung
Intschitunnel Südseite, vollständig gemauert, mit seitlichen Flügeln |
Strahllochtunnel Südseite, Felsportal ohne Mauerung |
Meienkreuztunnel Nordseite, teilweise gemauert |
- natürliches Fels-Gewölbe
- gemauertes Gewölbe
Auf der Gotthardstrecke finden wir alle diese Portalformen wieder. Obwohl sie im Grundsatz immer den damals gesetzten Normen entsprechen, waren auch immer wieder individuelle lokale Lösungen gefragt. Diese fussten auf Umständen wie der Standfestigkeit des Gesteins, der lokalen Situation, dem Angebot an "Mauersteinen" in der näheren Umgebung oder Ähnlichem.
Tunnelportale im Modellbau
Wie auch beim übrigen Modellbau, stehen uns für den Bau von Tunnelportalen die üblichen drei Möglichkeiten zur Verfügung:- Einsatz fertiger Industrieprodukte
- Selbstbau unter Verwendung von Industrieprodukten
- vollständiger Selbstbau
Da sich der Modellbau immer am Vorbild zu orientieren hat (siehe bei "Grundsätze"), ist eine Grundregel des Modellbauers unbedingt zu beachten:
Bahntechnische Bauten müssen auch im Modellbau nach denselben Grundsätzen gebaut werden, wie beim Vorbild.
Die folgenden Ausführungen sind deshalb auch nur gültig für Radien des inneren Gleises von über 70 cm.
Bei langen RIC-Wagen im Massstab 1: 87 beträgt dabei der innere Überhang bereits 7 mm, und der Gleisabstand wächst somit von 46 mm auf 53 mm.
Wer mit kleineren Radien arbeiten muss, sollte das Portal in einen Bereich einbauen, der auf eine Länge von mindestens 50 cm (Faustregel: 2x längstes Fahrzeug) dem verlangten Minimal-Radius entspricht.
Normalien
Da uns Modellbahnern die architektonischen sowie bautechnischen Regeln und Formeln des Tunnelbaues meistens nicht zugänglich sind, müssen wir sie uns irgendwie erschliessen.Zum Glück haben uns da die Bahngesellschaften bereits grosse Vorarbeit geleistet.
Jede von ihnen fasste und fasst ihre entsprechenden Regeln in sogenannten Normalien zusammen. Diese zeigen uns, ohne dass wir grosse baufachliche Grundkenntnisse besitzen müssen, wie wir zu bauen haben.
Einige dieser Tunnel-Normalien finden wir in "Ein Jahrhundert Schweizer Bahnen", Band 2, Seiten 52 – 54.
Seit 1987 steht unsauch das NEM-Normenblatt Nr. 105 zur Verfügung. Als weitere Hilfen sollen hier auch Tunnel-Normalien der ehemaligen Gotthardbahn-Gesellschaft zugänglich gemacht werden.
Wie aus der Mass-Tabelle für die Tunnelportale zu ersehen ist, wachsen unter einem Radius von 70 cm die Masse für den seitlichen Überhang doppelt so schnell. Aus diesem Grunde sollten auf unserer Modellbahn im sichtbaren Teil keine Radien unter 70 cm gewählt werden.
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Konstruktionstabelle für Tunnelportale mit Oberleitung
bei Fahrzeuglängen über 30 cm in H0 |
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| Profil in mm: | 48 | ||||
| Gleisabstand in mm: | 46 | ||||
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Radius
inneres Gleis in cm |
Radius äusseres
Gleis in cm |
Gleis-Abstand
in mm |
Überhang E
in mm |
R 1
in mm |
R 2
in mm |
| > 200 | > 246 | 46 | 0 | 52 | 104 |
| 200 | 246 | 46 | 1 | 53 | 106 |
| 190 | 236 | 46 | 1 | 536 | 106 |
| 180 | 226 | 46 | 1 | 53 | 106 |
| 170 | 216 | 46 | 2 | 54 | 108 |
| 160 | 206 | 46 | 2 | 54 | 108 |
| 150 | 196 | 46 | 2 | 54 | 108 |
| 140 | 186 | 46 | 2 | 54 | 108 |
| 130 | 176 | 46 | 3 | 55 | 110 |
| 120 | 166 | 46 | 3 | 55 | 110 |
| 110 | 156 | 46 | 4 | 56 | 112 |
| 100 | 147 | 46 | 4 | 56 | 113 |
| 90 | 138 | 47 | 5 | 58 | 116 |
| 80 | 130 | 48 | 6 | 60 | 120 |
| 70 | 122 | 50 | 7 | 62 | 124 |
| 60 | 115 | 52 | 9 | 65 | 131 |
| 50 | 109 | 55 | 11 | 69 | 139 |
| 40 | 104 | 59 | 14 | 75 | 150 |
Aus den Orginalplänen können wir den Konstruktionsweg herauslesen und im Modell anwenden:
- Wir errichten auf der Basis eine Mittelsenkrechte.
- Darauf tragen wir in H0 die Höhen 5 mm (bei Gleisen mit Schotterbett entsprechend höher!) für die Schienenoberkante (SO) und 23 mm darüber (28 mm) die Höhe für die Hilfslinie ab.
- Nun ziehen wir auf der Höhe der Hilfslinie eine Parallele zur Basis.
- Vom Kreuzungspunkt Z aus schlagen wir oben einen Halbkreis mit dem Radius R1.
- Die Schnittpunkte dieses Bogens mit der Hilfslinie benennen wir mit A und B.
Von A aus tragen wir nun über B hinaus den Radius R2 ab und schlagen von diesem neuen Punkt D aus einen Bogen von A bis zur Basis. Dann wiederholen wir dasselbe auf der anderen Seite mit B und C. Das Resultat ist das Originalprofil eines Tunnel-Innenbogens der ehemaligen Gotthardbahn für ein gerades Gleis.
Die entsprechenden Masse sind aus der Tabelle oben zu entnehmen.
Steht das Tunnelportal in einem Bogen, dann erweitert sich die Profilbreite um die doppelte Einrückung (aussen und innen). Die obigen Masse gelten für die schmalen Schleifer der SBB-Norm. Für breitere Schleifer muss ev. das Mass E entsprechend vergrössert werden.
einspuriger Axentunnel 193 |
Handzeichnung des Wattinger-Kehrtunnels 1879 |