Die Entwicklung
der elektrischen Gotthard-Lokomotiven
Die Drehgestell-Lokomotiven
Als sich Ende der 40er Jahre erneut der Bau einer Lok für den Gotthard aufdrängte, stand fest, dass diese, um leistungsfähig genug zu sein, mindestens sechs Triebachsen besitzen musste.
Da es die Technik des Lokomotivbaus inzwischen ermöglichte, laufachslose Drehgestell-Lokomotiven zu bauen, entschlossen sich die SBB zum Bau einer Einheitsmaschine mit zwei dreiachsigen Drehgestellen.
Die 1952 in Betrieb genommenen zwei Prototypen vermochten am Berg mit ihrer Leistung von 6000 PS 650 t bei 75km/h zu befördern. Auf den Talstrecken konnte die Anhängelast auf 1600 t gesteigert werden.
Bis 1966 wurden 120 Maschinen dieses Typs Ae 6/6 gebaut und ausgeliefert.
Mit diesen Maschinen führten die SBB eine Tradition aus der Dampfzeit wieder ein, die Verleihung von Namen an Lokomotiven. Die ersten 25 Maschinen Ae 6/6 erhielten eine Chrom-Zierleiste und einen "Schnauz" an den Stirnfronten. Jeder Maschine wurde der Name eines der damaligen 25 Kantone der Schweiz verliehen. Die restlichen 95 Maschinen erhielten die Namen von wichtigen Bahnstationen der Schweiz.
Die zweite der beiden Prototypen, die Ae 6/6 "Uri".
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Eine Ae 6/6 (zweite Serie ohne Verzierungen) wartet vor dem Lokomotiv-Depot Erstfeld auf ihren nächsten Einsatz.
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Über die Entwicklung der Ae 6/6 mehr in Kapitel 17
Als den SBB 1964 die ersten Maschinen des Typs Re 4 /4 II, der neuesten Flachland-Schnellzugsmaschine, ausgeliefert wurden, war vorgesehen, diese auch am Gotthard, hier allerdings in Doppeltraktion mit Vielfachsteuerung, einzusetzen.
Re 4/4 III im Bahnhof Erstfeld
Die Lok entspricht mit Ausnahme der Übersetzung den Re 4/4 II.
Dies bewährte sich so sehr, dass sich die SBB entschlossen, eine Serie von 20 Loks mit einer auf die Steilrampen angepassten Untersetzung bauen zu lassen.
Diese Maschinen Re 4/4 III vermögen auf den Rampen mit 6300 PS 580 t bei 80 km/h zu befördern (Re 4/4 II = 460 t).
In Doppeltraktion waren allerdings auf Grund der Lastgrenze der Zughaken nur 1130 t gestattet.
Aus diesem Grunde waren bis zur Auslieferung der Re 6/6 Züge mit zweifacher Doppeltraktion keine Seltenheit.
Zweimal Re 4/4 III in Doppeltraktion, sowohl als Zuglok, wie als Zwischenlok
Für die zulässigen Zuglasten im Schnellzugsverkehr reichten die Re 4/4 II und III am Berg nicht aus.
Mit deiner Doppeltraktion waren die Schnellzüge aber bedeutend "übermotorisiert".
Die Ae 6/6 wollten die SBB hierfür nicht einsetzen.
Was sie dann später doch taten!
Noch im Sommer 2001 (Lokmangel) konnte ich fahrplanmässige Schnellzüge am Gotthard beobachten, welche von einer Ae 6/6 gezogen wurden. Bei Ersatzzügen (Verspäteter EC in Chiasso) war dies sogar später noch der Fall.
Die Ae 6/6 am Gotthard nicht mehr vor Schnellzügen einzusetzen, dafür gab es mehrere Gründe:
Sie besassen keine Vielfachsteuerung, was sich im Betrieb als grosses Hindernis herausstellte. Entsprechende Abklärungen für einen nachträglichen Einbau wurden bereits damals als zu komplex und zu teuer abgelehnt.
Hinzu kam, dass die Ae 6/6 mit ihren 3-achsigen Drehgestellen eine starke Abnützung des Oberbaus bewirkten und aus diesem Grunde für die engen Radien des Gotthards nicht ideal waren.
Zudem handelte es sich nur um eine A-Maschine, welche auf den steigungslosen Zufahrtslinien nicht schneller als 110 km/h fahren konnte.
Aus diesem Grunde war das Bedürfnis nach einer kräftigen und schnellen Lok mit 6 Triebachsen immer noch vorhanden.
Nach den guten Erfahrungen mit den Re 4/4 II mit ihren zweiachsigen Drehgestellen drängte sich nun der Bau einer Maschine mit drei zweiachsigen Drehgestellen (Bo Bo Bo) auf.
Prototyp Re 6/6 11603 war das Vorbild für die ganze Serie
1972 lieferte die schweizerische Industrie vorerst vier Prototypen der Re 6/6 (11601 - 11604).
Die Ingenieure waren sich über das Adhäsionsverhalten der Triebachsen bei einem so langen Lokkasten, insbesondere im mittleren Drehgestell, nicht sicher.
Wegen dieser Problematik hatte man sich bei der Planung der Ae 6/6 nicht zu einer zweiachsigen Lösung durchringen können und sich für dreiachsige Drehgestelle entschieden. Die technischen Möglichkeiten waren damals noch nicht gegeben.
Deshalb erhielten zwei Loks (11601, 11602) einen geteilten, horizontal beweglichen, und zwei (11603, 11604) einen ungeteilten Kasten.
Zudem erhielt auf Wunsch der Industrie die Maschine 11604 eine Druckluftfederung. Die übrigen drei Maschinen erhielten alle eine Spiralfederung.
Da das Problem der gleichmässigen Belastung aller Achsen auch bei den Maschinen mit ungeteiltem Kasten befriedigend gelöst werden konnte, entschlossen sich die SBB zum Bau der Re 6/6 mit ungeteiltem Kasten und Spiralfederung.
Sie ist mit ihren 10600 PS im Stande, 800 t mit 80 km/h über die Steilrampen zu bewegen.
Nachdem die SBB bei den Re 4/4 keine Namen mehr vergeben hatten, kehrten sie mit den Re 6/6 erneut zur Namensgebung und zum Wappenschmuck zurück.
Wie gross die Entwicklung im Lokomotivbau in den verflossenen 30 Jahren war, zeigt die Tatsache, dass es der Industrie gelang, in einer sechsachsigen Lokomotive dieselbe Leistung unterzubringen, wie sie seinerzeit in der Doppellok Ae 8/14 11852 "Landilok" mit acht Triebachsen erreicht wurde.
Re 4/4 II abgestellt, Re 4/4 III mit Re 6/6 in Doppeltraktion vor einem Güterzug und Re 6/6 solo vor einem Schnellzug im Bahnhof Erstfeld
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Re 6/6 in Doppeltraktion mit einer Re 4/4 III (Re 10/10) mit einem Güterzug bei Häggrigen unterwegs nach Süden
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